IT-Umschulungen - „Projekt Peak“ - Spielerischer Stresstest für die Berufspraxis
02.07.2025
Der berufliche Alltag ist nicht selten mit Herausforderungen verbunden. Im Bereich der IT-Umschulungen der DAA NRW wird diese knallharte Arbeitswelt als Vorbereitung auf die Praxisphase im „Projekt Peak“ simuliert. Trotz der täglichen Anstrengungen über mehrere Wochen entfacht es bei den Erwachsenen aber auch regelrechte kindliche Begeisterung.
Essen – Die Aula im DAA-Technikum unweit der Universität Essen gleicht einer riesigen Spielwiese. Auf dem Boden, am Podium und an zahlreichen Tischen wird geschrieben, geklebt, getüftelt, geschraubt, getestet, gegrübelt, geflucht und gelacht. Es sind die finalen Vorbereitungen für den Höhepunkt des Modellprojektes „Peak“ im Bereich der IT-Umschulungen. In einer Challenge präsentieren Teilnehmende ihre virtuellen Startups, die Steuerungssoftware-Lösungen für autonom fahrende Modellfahrzeuge entwerfen.
„Das Projekt hat bei den Teilnehmenden nicht nur technisches Wissen vertieft, sondern vor allem Selbstvertrauen, Teamgeist und kreative Lösungsansätze gefördert“, erklärt Christopher Wollenberg als einer von sieben Dozenten, die dieses bemerkenswerte Projekt entworfen, organisiert und hautnah begleitet haben. Rund 60 Umschüler*innen der Fachinformatik, Anwendungsentwicklung und Systemintegration aus NRW, aufgeteilt in vier Gruppen, sind im Mai zu dieser vierwöchigen Challenge angetreten. Der Höhepunkt steigt im DAA-Technikum, in dem die Wettbewerber*innen ihre Lösungen präsentieren. Wollenbergs Kollege Jörg Feller hebt ebenfalls die „Vielschichtigkeit“ der Aufgabe heraus, „strategisches und kaufmännisches Denken“ werde gefördert, „Geduld und Resilienz“ abverlangt.
Autos und Webseiten bauen und programmieren, Firmen gründen
Die anfänglich zuweilen heterogenen Gruppen haben sich innerhalb kürzester Zeit gefunden, Funktionen und Aufgaben vergeben und sich an die Arbeit gemacht. Die virtuellen Startups Kaiju Cars (kaiju-cars.de), Opti-Car (opti-drive.de), Whimsical Systems (whimsical-systems.de) und Techraiders (techraiders.de) entstehen samt Webpräsenzen, Corporate Identities, Unternehmensformen und Kommunikationsplattformen. Jeder Schritt hin zum Projektziel wird in Blogs oder auf Videos festgehalten. Im Zentrum stehen die Roboterfahrzeug-Bausätze, die zusammengefügt und mit einer dafür programmierten Steuerungssoftware hinterlegt werden.
In Zwischen-Challenges nehmen die Dozenten die Entwicklungs-Schritte und Jungfern-Fahrten der Rad- (PiCars) und Kettenfahrzeuge (Argonaut) unter die Lupe – und setzten mit kurzfristigen neuen Anforderungen Reizpunkte. „Dieses Projekt soll für die Teilnehmenden ganz bewusst ein Stresstest sein. Es ist eine Simulation der Arbeitsrealität für Projektarbeiten im IT-Bereich. Die Mitarbeitenden müssen immer damit rechnen, dass Auftraggeber unvermittelt mit neuen Ideen oder Wünschen kommen. Es ist eine gute Vorbereitung auf die darauffolgende Praktikumsphase“, erklärt Holger Kötting aus dem Dozenten-Team.
Neben den technischen Fragen zu Hardware (Wahl der Kameras oder Sensoren für die Fahrzeuge), Softwarelösungen (z. B. Open Source Tools wie Nextcloud) oder Administration müssen die Teilnehmer*innen auch ihre Fähigkeiten als Unternehmer zeigen und zum Beispiel die für ihr jeweiliges Startup geeignete Unternehmensform wie UG (Unternehmergesellschaft) oder GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) wählen. Das alles unter Zeitdruck und unrhythmischen Bedingungen.



Für einen Abschluss ist es nie zu spät
Wie im richtigen Berufsleben kommen in dem Projekt als zusätzlicher Faktor die jeweiligen persönlichen Lebensumstände, unter denen die Teilnehmenden ihre Aufgaben in diesem Projekt bewältigten, zum Tragen. Sie könnten teilweise unterschiedlicher kaum sein. Marcin Paluch vom Team Whimsical Systems ist alleinstehend. Der im polnischen Sopot bei Danzig geborene Paluch hat seinen Job in der IT-Branche nach 18 Jahren für eine Umschulung in der Fachinformatik und Systemintegration aufgegeben – im Alter von 55 Jahren. „Unabhängig zu sein, ist Luxus. Wenn man familiäre Verpflichtungen hat, wagt man diesen Schritt wahrscheinlich nicht“, sagt er. In Deutschland werde ein Abschluss großgeschrieben. Das Abitur habe er gemacht, das Studium der Theologie und Sozialpädagogik nicht beendet. Nach 18 Jahren „Provisorium“ ohne Abschluss kam so etwas wie ein „Boreout“ – die Suche nach einer Herausforderung. Die fand er bei der DAA.
So auch Daniel Regen, der 36-Jährige ist der Kontrast zu Marcin Paluch. Er reist zum großen Finale im DAA-Technikum mit seiner Partnerin sowie den gemeinsamen Kindern (Sohn, Tochter) an. Der in Frankfurt/Oder geborene und Leipzig aufgewachsene Regen hat einen Realschulabschluss und ist nie über Mini- oder Gelegenheitsjobs hinausgekommen. In der IT habe er sein Ziel nach jahrelanger Suche gefunden. Nach einem Eignungstest bei der DAA ging es endlich los. „Das Projekt war gut für das Berufsleben“, sagt der Teamleiter Kaiju-Cars zu seiner prägendsten Erfahrung. Die Wünsche der Dozenten, Betreuung der Kinder oder andere Stressmomente waren zuweilen zwar beanspruchend, er habe diese Zeit aber gut bewältigt.
Techraiders gewinnen die Challenge
Vor dem großen Finale, das einem Happening gleicht, erreicht der Adrenalinspiegel seinen höchsten Pegelstand. Das Happening hat alles, was die Lebensrealität abbildet. Die Teilnehmenden testen fiederhaft die Roboterautos und die Präsentationstechnik, dazwischen wuseln die Kinder der Wettbewerber. Denn die Angehörigen wurden zu dem Happening ausdrücklich eingeladen. Daniel Regen lässt sich zum großen Finale bei seinem Vortrag am Podium auch nicht von seiner Tochter aus dem Tusch bringen, er nahm die Zweijährige kurzerhand bei seinen Ausführungen zu Kaiju Cars auf den Arm. Strahlende Sieger nach Firmen-Präsentation und Prüfungsfahrt in die DAA-Garage waren die Techraiders mit ihrem Argonauten. „Für uns als Begleiter war es herausfordernd, den richtigen Rahmen zwischen Anleitung und Freiraum zu finden aber genau darin lag auch die Stärke des Projekts. Ich gehe mit Stolz und Dankbarkeit aus diesem Prozess: Stolz auf die Leistung der Teams und dankbar für die gemeinsame Erfahrung, die über reine IT-Kompetenz weit hinausging“, sagt Christopher Wollenberg.
